Zwangssterilisationen in der Heil- und Pflegeanstalt Hall

Das „Gesetz zur Verhütung des erbkranken Nachwuchses“ trat im Deutschen Reich am 1. Jänner 1934 und in der „Ostmark“ am 1. Jänner 1940 in Kraft. Auf Basis des Gesetzes konnten die Gesundheitsbehörden Menschen, die man als „erbkrank“ kategorisierte, zwangsweise sterilisieren. Als „Erbkrankheiten“ galten laut Gesetz folgende Diagnosen:

- „angeborener Schwachsinn“ (geistige Beeinträchtigung)

- „Schizophrenie“

- „manisch-depressives Irresein“

- „erbliche Fallsucht“ (Epilepsie)

- „erblicher Veitstanz“ (Chorea Huntington)

- „erbliche Blindheit“

- „erbliche Taubheit“

- „schwere erbliche körperliche Missbildung“

- „schwerer Alkoholismus“

Im Deutschen Reich wurden ca. 400.000 Menschen unter Zwang sterilisiert. Für den Gau Tirol-Vorarlberg wird die tatsächliche Gesamtzahl auf ca. 400 Sterilisationen geschätzt. Gerade auch für die PatientInnen der Heil- und Pflegeanstalten hatte das Gesetz gravierende Folgen. Als Bedingung für eine Entlassung konnte nämlich die Durchführung einer Sterilisation angeordnet werden. Die Anstaltsdirektoren, wie Dr. Ernst Klebelsberg in Hall, waren zu einer Anzeige an die Gesundheitsämter verpflichtet. Außerdem waren sie berechtigt, Anträge einzubringen. Die Entscheidung über eine Sterilisierung traf das Erbgesundheitsgericht in Innsbruck. Auch die Gesamtzahl der zwangssterilisierten Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Hall ist noch nicht endgültig geklärt. Auf Basis der Krankenakten lassen sich derzeit mindestens 98 Opfer belegen. Die Durchführung der Sterilisation erfolgte sehr häufig im damaligen Kreiskrankenhaus Hall (heute: somatischer Teil des Landeskrankenhauses Hall). Weitere durchführende Einrichtungen waren die gynäkologische und chirurgische Abteilung an der Klinik in Innsbruck.