Handelnde Personen und deren Verantwortung


1949 fand am Innsbrucker Volksgericht ein Verfahren zum Krankenmord im Gau Tirol-Vorarlberg statt. Das Gericht verurteilte Dr. Hans Czermak, den ehemaligen Leiter der Abteilung III für „Volkspflege“ beim Reichsstatthalter in Innsbruck zu acht Jahren Gefängnis. Die Richter hielten ihn als hauptverantwortlich für die Organisation und Durchführung der Abtransporte und somit für den Tod von 707 Frauen, Männern, Jugendlichen und Kindern aus den Anstalten des Gau Tirol-Vorarlberg.

Der Haller Anstaltsdirektor Dr. Ernst Klebelsberg konnte die Behörden von seiner strafrechtlichen Unschuld überzeugen. Die Streichung von etwa 80 PatientInnen von der Liste beim ersten Transport wurde als widerständiges Verhalten gewertet. Aus heutiger Sicht erweist sich Klebelsbergs Haltung als widersprüchlich. Die Problematik liegt darin, dass von seiner Stellungnahme nicht nur abhing, wer gerettet, sondern auch wer vernichtet wurde. Er hatte sich zwar für die heilbaren und arbeitsfähigen PatientInnen eingesetzt, sich mit dem Abtransport der Pflege- und Verwahrfälle aber offenbar zusehends abgefunden. Damit übernahm er bei der Durchführung des Krankenmordes ein erhebliches Maß an Mitverantwortung. Nach Kriegsende rechtfertigte er sich damit, dass er nicht über Leben und Tod der PatientInnen entschieden habe, sondern nur darüber, wer in der Anstalt bleiben durfte. Außerdem glaubte er, durch den Verbleib als Anstaltsleiter Schlimmeres verhindern zu können. Auch wenn sein Verhalten nicht das eines überzeugten Euthanasie-Befürworters war, ermöglichte er wie viele andere mit der Erledigung der Dienstpflichten den weitgehend reibungslosen Ablauf der Krankentötungen. Er kooperierte bei der Erstellung von Verlegungslisten, machte Streichungsvorschläge und hielt sich gegenüber den Angehörigen an die verordnete Geheimhaltung. Sicher ist, dass das gesamte Personal über den Hintergrund der Transporte Bescheid wusste und mehr oder weniger in die Vorbereitungen eingebunden war. So ist davon auszugehen, dass die PflegerInnen die PatientInnen transportfertig machten und das Verwaltungspersonal den verschleiernden Briefverkehr mit den Angehörigen abwickelte. Über einen grundsätzlichen Widerstand gegen den Abtransport aus der Haller Anstalt ist nichts bekannt.