Das Schicksal der jüdischen PatientInnen in der Heil- und Pflegeanstalt Hall


Unter den 360 PatientInnen aus der Heil- und Pflegeanstalt Hall, die in Hartheim bzw. Niedernhart ermordet wurden, befanden sich keine jüdischen PatientInnen. Allerdings war die Haller Anstalt für zwei jüdische Männer und eine jüdische Frau eine Zwischenstation auf dem Weg in den Tod:




Hermann Hirschhorn wurde am 7. August 1877 in Beuel bei Bonn geboren. Nach eigenen Angaben führte er in Koblenz ein Lebensmittelgeschäft und wanderte im Jahr 1938 wohl aus Angst vor den nationalsozialistischen Repressionen zuerst nach Holland und wenig später nach Mailand aus. Von dort wurde er jedoch ausgewiesen und am 9. März 1941 auf Verfügung der Grenzpolizei nach Innsbruck gebracht und dort inhaftiert. Nach einem Nervenzusammenbruch in der Haft verlegte man ihn zuerst in die Psychiatrische Klinik Innsbruck und am 7. April 1941 in die Heil- und Pflegeanstalt Hall. Nach fünfmonatigem Aufenthalt wurde er am 10. November 1941 von Hall in die ausschließlich für die Betreuung jüdischer PatientInnen zuständige Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn bei Koblenz überstellt. Im Rahmen der im Frühjahr 1942 beginnenden Massendeportationen von Jüdinnen und Juden wurden auch die PatientInnen aus Bendorf-Sayn abgeholt. Hermann Hirschhorn wurde am 14. Juni 1942 mit vielen weiteren jüdischen PatientInnen in das Vernichtungslager Sobibór deportiert und dort ermordet.



Elisabeth Charlotte Franke wurde am 12. Februar 1907 in Nürnberg geboren und lebte später mit ihrer Familie in München. Dort war sie in der Zeit des Nationalsozialismus von den Zwangsmaßnahmen gegen Jüdinnen und Juden betroffen. So verrichtete sie ab 1940 in der Batteriefabrik Kammerer Zwangsarbeit und musste ab Sommer 1941 im Lager Laim am Berg wohnen, in dem die Münchner jüdische Bevölkerung ghettoisiert wurde. Als im März 1943 Gerüchte über eine bevorstehende Deportation kursierten, entschloss sie sich zur Flucht. Nachdem sie sich einige Tage bei Bekannten am Starnberger See versteckt halten konnte, versuchte sie über das Tiroler Paznauntal in die Schweiz zu fliehen. Allerdings geriet sie bei einem Zwischenstopp in der Gemeinde Kappl in eine Gendarmeriekontrolle. Da sie befürchtete, verhaftet zu werden, schnitt sie sich aus Angst die Pulsadern auf. Wegen dieses Selbstmordversuchs überstellte man sie ins Krankenhaus nach Zams, von dort in die Psychiatrie Innsbruck und letztendlich in die Heil- und Pflegeanstalt Hall. Nach knapp dreiwöchigem Aufenthalt wurde sie am 9. April 1943 von der Geheimen Staatspolizei aus der Anstalt abgeholt und laut Haftkartei am 15. April ins Polizeigefängnis Innsbruck gebracht. Von dort erfolgte einen Tag später die Deportation in das KZ Auschwitz, wo man Elisabeth Charlotte Franke, die Liselotte genannt wurde, ermordete.



Egon Dubsky wurde am 7. Februar 1897 in Innsbruck geboren. Im August 1936 ließ er sich katholisch taufen, wenige Monate später heiratete er. Mit dem Übertritt zum Katholizismus war sein gleichzeitiges Ausscheiden aus der Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck verbunden. Dubsky engagierte sich in diesen Jahren für die illegale NSDAP. Dennoch wurde er in der NS-Zeit nach den Nürnberger Rassengesetzen als Jude verfolgt. Obwohl er seinen Besitz an seine nichtjüdische Ehefrau überschrieb, sollte dieser „arisiert“ werden. Als er von der Geheimen Staatspolizei im Oktober 1938 aufgefordert wurde, Innsbruck zu verlassen, wollte er sich das Leben nehmen. Er kam daraufhin in die Innsbrucker Psychiatrie und wurde am 1. März 1939 in die Heil- und Pflegeanstalt Hall verlegt. Dort verblieb er für den gesamten Zeitraum des schwebenden „Arisierungsverfahrens“. Dubsky stand auf der Anforderungsliste für den ersten Euthanasietransport im Dezember 1940. Allerdings wurde er mit der Begründung zurückbehalten, dass er in der Anstalt arbeite. Diese Begründung widersprach jedoch den Angaben im Krankenakt, wo unmissverständlich festgehalten wurde, dass er nichts arbeite. In der Forschungsliteratur wird vermutet, dass Dubsky für die Dauer des „Arisierungsverfahrens“ am Leben gelassen worden sei, da bei seinem frühzeitigen Ableben der gesamte Besitz an die „arische“ Ehefrau gefallen wäre. Nach Abschluss der „Arisierung“ bestand kein Grund mehr, ihn am Leben zu lassen. Am 21. Mai 1943 wurde er im Auftrag der Gestapo von der Polizei abgeholt und einen Tag später im Arbeitserziehungslager Reichenau interniert. Dort erschoss ihn Gestapochef Werner Hilliges am 2. Juni 1943.



verwendete Quellen:

Historisches Archiv Landeskrankenhaus Hall, Verwaltungsakt und Krankenakt Hirschhorn Hermann, Egon Dubsky, Franke Elisabeth Charlotte geb. Frankfurter

Tiroler Landesarchiv, Bundespolizeidirektion Innsbruck, Haftkartei Polizeigefängnis Innsbruck

Tiroler Landesarchiv, Reichsstatthalterei in Tirol und Vorarlberg, Abt. IIIa1 (medizinische Angelegenheiten), Zl. M-XI 1941, „Listen der in Hall ausgeschiedenen 106 Kranken“.

Auskunft von Dietrich Schabow auf Basis folgender Datenbank: Ehemalige Israelitische Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke (Jacoby’sche Anstalt. Privatarchive Rosenau/Schabow) (E-Mail Dietrich Schabow an Oliver Seifert, 4.2.2019)

Genealogiedatenbank des Jüdischen Museums Hohenems: http://www.hohenemsgenealogie.at/2010/08/hallo-welt/ (abgerufen am 28.6.2019)